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Der offizielle Meeresbiologie Blog

Informatives, Wissenswertes, Lustiges - rund um die Meere und Ozeane dieser Erde und den schönsten Beruf der Welt.

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Super-Fressmaschine in Korallenriffen am Werk

16/11/2018

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von Diane Hegmann
Korallenriff, Malaysia, Taucher, Tauchen, Tioman, Meeresbiologie, MeeresschutzAuf dem Boot werden Vorbereitungen getroffen, um die gefräßigen Seesterne zu bekämpfen. © Caro Joos
Schon seit einigen Jahren wissen wir, dass Korallenriffe weltweit harte Zeiten durchmachen. Genau wie unsere Regenwälder gehören Korallenriffe zu den artenreichsten Lebensräumen der Welt. Doch Überfischung, Verschmutzung und der Klimawandel sind dafür verantwortlich, dass sich diese Lebensräume drastisch zum Negativen verändern. Gerade im weltweit größten Korallenriff, dem Great Barrier Reef, sind die Spuren deutlich erkennbar, wenn auch vor allem durch Begleiterscheinungen der eigentlichen Veränderungen.

Eine diese Begleiterscheinung ist ein ziemlich hungriger Kollege, der in den letzten Jahrzehnten in immer kürzeren Abständen millionenfach über die Riffe herfällt: Der Dornenkronenseestern (Englisch Crown of Thornes, kurz COT). Mit einer Größe von bis zu 40 cm Durchmesser und ausgestattet mit 6 bis 23 Armen gehört er zu den größeren Seesternarten (zum Vergleich: der größte Seestern 
Pycnopodia helianthoides oder auf Englisch Sunflower Sea Star kann 1 m Durchmesser erreichen). Dem Dornenkronenseestern mag man aber nicht nur wegen seiner Größe, sondern vor allem wegen seiner bis zu 5 cm langen Giftstacheln nicht zu nahe kommen. Er hat nur wenig Feinde und einen davon haben Touristen als Andenken aus dem Urlaub besonders gern: Das Tritonshorn, eine Schnecke mit einem sehr schönen Schneckenhaus, das bestimmt jeder schon einmal gesehen hat. Nur eben nie im Meer. In Malaysia zum Beispiel wurden seit Jahren schon keine mehr unter Wasser gefunden, was das explosionsartige Auftreten des Dornenkronenseesterns erklärt. Aber auch die Überfischung und Lebensraumzerstörung anderer Fressfeinde, wie des Weißflecken-Kugelfisches und des Riesen-Drückerfisches, bescheren dem Seestern ein sorgenfreies Leben.

Meeresbiologie, Korallenriff, Dornenkronenseestern, Tauchen, Meeresschutz
Bis zu 23 Arme kann der Dornenkronenseestern haben, die mit spitzen Stacheln bestückt sind. © Caro Joos
Aber warum genau ist er so unbeliebt? Wie schon erwähnt, ist er groß und hungrig. Seine Leibspeise sind ausschließlich Steinkorallen, die bei der Entstehung von Korallenriffen so etwas wie das Gerüst sind, denn sie produzieren den Kalk, der die Riffstrukturen bildet. Der nachtaktive Dornenkronenseestern kann in einer einzigen Nacht ungefähr die Fläche in der Größe seines Körpers vertilgen. Das sind im Jahr ungefähr 13 Kubikmeter an Korallenfläche.
 
Die Natur funktioniert ohne unser Eingreifen einwandfrei. Alles ist so aufeinander eingespielt, dass es erst gar nicht zu Ungleichgewichten kommt. Eine ausgeglichene Anzahl von Dornenkronenseesternen
​hat einen positiven Effekt auf das Korallensystem, denn sie verhindert, dass einige schnell wachsende Korallen eingedämmt werden, was langsamer wachsenden Korallen die Chance gibt, zu gedeihen. Doch wenn der Mensch in diese Balance eingreift, ist es für die Natur schwer bis kaum machbar, dieses Chaos wieder ins Lot zu bringen. Ist das Ökosystem erst einmal gestört, indem man eine Art drastisch reduziert, so kommt es zu unkontrollierter Vermehrung einer anderen Art. Bei den Dornenkronenseesternen spricht man von sogenannten „Outbreaks“ (Ausbrüchen), in denen im schlimmsten Fall bis zu 1.000 Tiere auf einem Hektar auftreten. Man kann sich das Ausmaß der Zerstörung sicherlich vorstellen. Was so ein einzelner Seestern in einem Jahr verdrückt, braucht Jahrzehnte, um wieder nachzuwachsen. Oder Jahrhunderte. Hinzu kommt, dass ein Dornenkronenseestern für einen Seestern mit 20 m pro Stunde ziemlich schnell ist. Also, fassen wir zusammen: Groß, schnell, giftig und gefräßig. Was macht man dagegen?
Meeresschutz, Malaysia, Meeresbiologie, Dornenkronenseestern, Taucher, TauchenDie Bekämpfung ist aufwendig: Taucher müssen jedem Exemplar einzeln zu Leibe rücken. © Caro Joos
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Ist ein Gebiet erst einmal von Dornenkronenseesternen befallen, ist schnelles Handeln erforderlich. Ich habe dafür die Insel Tioman im Südchinesischen Meer vor der Ostküste Malaysias besucht, die vor einigen Jahrzehnten noch stark unter den gefräßigen Seesternen gelitten hat. Und die Lage heute? Deutlich entspannter. Der Grund dafür ist aktiver Meeresschutz, der auf der Insel Tioman betrieben wird. Denn die Notwendigkeit stand außerfrage: Keine Korallenriffe bedeutet weniger Touristen. Und bei einer Insel, auf der 80 Prozent seiner Bewohner im Tourismus beschäftigt sind, wäre das ein ernstes Problem. Der aktive Meeresschutz wird von zwei Projekten gesteuert: GreenFins (www.greenfins.net/en/location/malaysia) und AWARE (www.projectaware.org). Für die konkrete Umsetzung ist aber jeder Einzelne gefragt, nämlich vorwiegend Taucher und Tauchtouristen. Aus dem Grunde wurden die meisten Tauchschulen auf Tioman eingewiesen, wie sie die Korallenriffe beobachten,  ihre Veränderungen dokumentieren oder sich gegen das gehäufte Auftreten von Feinden, wie den Dornenkronenseestern, wehren können.

Tioman, Tauchen, Meeresschutz, Meeresbiologie, Dornenkronenseestern, KorallenriffErwischt! Hier wird entweder Essig oder eine andere Chemikalie in den Körper gebracht, um die Aktivitäten des Dornenkronenseesterns im Riff einzuschränken. © Caro Joos
​Ich wollte wissen, wie der aktive „Kampf“ gegen die gefräßigen Seesterne konkret aussieht, und habe mich mit den Mitarbeitern und Betreibern der B&J Diving Centre getroffen, um mit ihnen über das Thema zu sprechen. Nach deren Angaben werden weltweit zwei Methoden zur Eindämmung des Dornenkronenseesterns angewandt: Entweder man holt sie mit einem Haken von den Korallen, sammelt sie in einem großen Netz und übergießt sie später mit Süßwasser, was sie umgehend tötet. Oder man spritzt mehrmals Essig in sie, wodurch sie zunächst bewegungsunfähig werden und dann sterben. Auf Tioman wird vornehmlich mit der Injektion gearbeitet. Man muss sich das Gerät wie eine Klebepistole mit langem Rohr vorstellen, durch das man an den Stacheln vorbei kommt, um das Essig zu injizieren. Das widerholt man an mehreren Stellen am Körper, es sei denn, man nutzt andere Chemikalien, die schneller wirken (z.B. Gallensäure). Essig ist auf der Insel allerdings weitaus leichter zu beschaffen. Die Taucher sagten mir, dass sie aktiv werden, wenn sie an einem Tauchspot bei einem normalen Tauchgang am Tage mehr als 5 Seesterne entdecken. Denn da sich die Wirbellosen tagsüber sehr gut verstecken, kann man davon ausgehen, dass sich noch einmal drei- oder viermal so viele von ihnen unter Korallen und Felsen befinden. Bei ihrer letzten „Säuberung“ im Juli 2018 haben sie ungefähr 50-60 Dornenkronenseesterne an weniger oft besuchten Tauchspots bei Tioman entdeckt und unschädlich gemacht.

Wichtig ist dabei, dass die Tauchschulen untereinander und mit den leitenden Meeresschutzorganisationen kommunizieren. Nur so kann rechtzeitig gehandelt und ein „Outbreak“ verhindert werden. Die Dornenkronenseesterne sind aus dem Grund derzeit kein Hauptproblem der Insel mehr, was leider nicht bedeutet, dass es gar keine Probleme mehr gibt. Illegales Fischen und Plastik im Wasser sind sogenannten Dauerbaustellen. Trotz allem ist Tioman derzeit die einzige Insel Malaysias, die eine Verbesserung ihrer Korallenriffe vorzuweisen hat. Ist ein gewisses Verständnis für die Wichtigkeit von gesunden Korallenriffen erst einmal bei jedem angekommen, funktionieren Vorbeugemaßnahmen und aktiver Meeresschutz auch richtig gut – zum Vorteil aller Beteiligten.

Vielen Dank an
 Caro Joos (B&J Diving Centre) für die Bildeindrücke in diesem Artikel.

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Die harte Kindheit der Meeresschildkröten

20/12/2017

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Sein Leben damit zu beginnen, sich erst durch die Schale eines Eis zu kämpfen ist schon hart. Dann aber festzustellen, dass man sich unter der Erde befindet und noch einmal 3-7 Tage damit verbringen muss, sich bis an die Oberfläche zu buddeln – das klingt nach einem Horrorfilm für uns. Tatsächlich aber beginnt so das Leben einer jeden Meeresschildkröte.

Doch vor dieser harten Kindheit müssen zunächst eine Reihe anderer Faktoren stimmen, damit eine Meeresschildkröte ihren Weg in die Weiten der Meere auf sich nehmen kann. Alles beginnt damit, dass ein Schildkrötenweibchen mehrere Tausend Kilometer hinter sich bringt, um einen geeigneten Platz für ihr Nest zu finden. Man hat zum Beispiel herausgefunden, dass die Lederrückenschildkröte Strecken von bis zu 4800 km oder mehr zurücklegt. Wurde endlich ein passender Strand gefunden, geht das Schildkrötenweibchen im Schutz der Dunkelheit mehrere Meter an den Strand und gräbt ein Loch, in das sie (je nach Art) ihre 50-350 Eier legt. Diese werden danach vergraben und die Mutter kehrt zurück ins Meer. Die Eier und darin heranwachsenden Schildkröten sind nun auf sich allein gestellt.

Die Temperatur des Sands entscheidet übrigens das Geschlecht: Je kühler der Sand, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass der Nachwuchs männlich wird. Nach 50-60 Tagen beginnt das Schlüpfen und die mühsame Buddelei an die Oberfläche. Auch hier orientieren sich die Jungen an die Temperatur: Wenn es kühl ist, wissen sie, dass es nachts und damit sicherer vor Fressfeinden ist (die einzige Schildkrötenart, die tagsüber schlüpft, ist die Atlantik-Bastardschildkröte). Dann, endlich, sind sie am Strand. Aber woher wissen sie, in welcher Richtung das Meer liegt? Das Geräusch der Wellen, magnetische Felder und das reflektierte Mondlicht in der Brandung – Forscher wissen nicht ganz genau, was davon vorwiegend den Weg der Jungen bestimmt, vielleicht eine Mischung aus allem.


Der Nachwuchs, der es trotz diverser Fressfeinde (Hunde, Vögel, Reptilien usw.) ins offene Meer geschafft hat, schwimmt tagelang und ohne Futter hinaus. Den einzigen „Proviant“, den sie für diese lange Reise bei sich haben, ist der Eidotter, den sie beim Schlüpfen aufgenommen haben. Im offenen Meer verbringen die Jungen 3-5 Jahre, bis sie sich im flacheren Gewässern aufhalten. Über das Leben der heranwachsenden Tiere ist bisher wenig bekannt.

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Meeresschildkröten in Malaysia

Wer in Südostasien unterwegs ist, der hat in Malaysia große Chancen, Meeresschildkröten anzutreffen. Vier der sechs Arten haben an der Küste und auf den Inseln ihre Brut- und Futterplätze: Die Lederrückenschildkröte und Oliv-Bastardschildkröte findet man nur an der Ostküste und ihr Bestand ist stark zurückgegangen, während die Suppenschildkröte (der Name kommt leider nicht von ungefähr...) und Echte Karettschildkröte auch an der Westküste und auf Borneo zu finden sind.

Doch auch wie überall auf der Welt hat die Meeresschildkröte in Malaysia nicht nur mit Fressfeinden zu kämpfen: Die Umwelt- und insbesondere Meeresverschmutzung sind für sie eine Gefahr. Auch geraten viele Schildkröten als Beifang in Fischernetze. Informationszentren und Aufklärungsprogramme von diversen Naturschutzorganisation sollen auf die Probleme hinweisen, haben sich aber auch zum Ziel erklärt, die Wanderung der jungen Meeresschildkröten von ihrem Nest bis ans Meer aktiv zu unterstützen. Fischer werden aufgeklärt, wie sie ihre Netze auszulegen haben, um nur das zu fangen, was sie tatsächlich auch fangen wollen.

Ich bin in einem kleinen Informations- und Schutzzentrum für Meeresschildkröten an der Ostküste Malaysias gewesen, dem Cherating Turtle Sanctuary. Das Center wurde 1998 eröffnet und kümmert sich um die Eier und die geschlüpften Jungen am Strand. Einige werden auch eingefangen und so lange behütet, bis sie größer sind und ins offene Meer entlassen werden können. Es dient auch als Auffangstation für verletzte ältere Tiere. Wer von euch mehr Informationen zu Meeresschildkröten in Malaysia haben will, kann mir gerne schreiben.

Diane Hegmann (Profil)
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Ozeanversauerung verändert die Gerüche im Meer und gefährdet die Kommunikation von Meerestieren

26/11/2017

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Durch die zunehmenden Mengen an Kohlenstoffdioxid in der Atomsphäre werden die Ozeane immer saurer. Dieser Effekt sorgt dafür, dass Geruchsmoleküle im Meer verändert werden und Meerestiere diese veränderten Moleküle nicht mehr erkennen können, mit weitreichenden Folgen.
 
Die chemische Kommunikation mithilfe von Geruchsstoffen spielt eine zentrale Rolle für marine Organismen. Die Wahrnehmung dieser Signalmoleküle ist für Meerestiere so wertvoll wie für uns Menschen das Sehen und Hören zusammen! Meine neuesten Forschungsergebnisse zeigen, dass Ozeanversauerung diese wichtigen Signalstoffe erheblich verändern kann (http://bit.ly/297S8ps).
 
Signalstoffe sind chemische Moleküle, die von Meerestieren entweder absichtlich, z.B. von Weibchen zum Anlocken von Männchen, oder zufällig bei natürlichen Abbauprozessen, wie der Zersetzung von Eiweiß, freigesetzt werden. In beiden Fällen können sie von anderen Meerestieren genutzt werden, um sich anhand des Geruchs zu orientieren.
​Stell dir vor, du bist eine kleine Krabbe und lebst zwischen vielen großen und kleinen Felsen und Gezeitentümpeln an einer unwirtlichen Küste, die ständig den Wellen und Gezeiten ausgesetzt ist. Die einzige Möglichkeit, dein Mittagessen zu finden, besteht darin, es schon aus der Ferne zu riechen. Dummerweise gilt das aber auch für den Oktopus, der auf der Jagd nach dir ist. Du als kleine Krabbe, bist also zusätzlich darauf angewiesen, den Oktopus als erstes zu riechen, um nicht selbst gefressen zu werden. Was, wenn das alles nicht mehr funktionieren würde?

Vom Menschen verursachte CO2 Emissionen haben in den letzten 100 Jahren bereits zu einer Reduzierung des pH-Wertes in den Ozeanen um 0.1 Einheiten auf pH 8.1 geführt. Bis zum Jahr 2100 ist eine weitere Ozeanversauerung der Oberflächenschichten um bis zu 0.4 Einheiten auf pH 7.7 prognostiziert. Das mag auf den ersten Blick nicht viel erscheinen, reicht jedoch aus, um nachweislich die Leistungsfähigkeit, den Stoffwechsel, die Physiologie, die Fortpflanzung und das Verhalten verschiedenster Meeresorganismen von großen Haien bis hin zu kleinstem Plankton zu beeinflussen.

Peptide als Schlüsselfaktor
 
Viele Moleküle, die den Geruch von der Geruchsquelle zu einem Meerestier transportieren, reagieren potenziell sensitiv auf pH Veränderungen. Das gilt vor allem für Peptide und Proteine, die z.B. von Krabben, Seepocken und Muscheln genutzt werden. Peptid-Signalmoleküle spielen eine wichtige Rolle, wenn es darum geht Nahrung, Fressfeinde oder den besten Platz zum Niederlassen zu finden oder während der Brutpflege auf die Larven aufzupassen. Die Frage ist, ob die Reduzierung des pH-Wertes diese Peptide unbrauchbar machen könnte.
 
Die Wahrnehmung von Signalstoffen bzw. Gerüchen erfolgt bei Meerestieren über Rezeptoren. Diese sitzen normalerweise in der „Nase“. Krabben „riechen“ allerdings mit ihren Antennen und mithilfe von Rezeptoren an ihren Fußspitzen, Damit eine Krabbe Signalstoffe wahrnehmen kann, müssen zwei Bedingungen erfüllt sein:

1. Die einzelnen Teile des Geruchsmoleküls müssen richtig angeordnet sein, also die richtige „Konformation“ haben.

​2. Die Ladung des Moleküls muss stimmen, also positive und negative Teile müssen an der richtigen Stelle sein.
Durch die Ozeanversauerung scheinen aber sowohl die Konformation als auch die Ladung der Geruchsmoleküle beeinflusst zu werden.
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​Um die Struktur und Konformation von Peptid-Signalstoffen genauer zu erforschen, wird eine Technik namens Kernresonanzspektroskopie genutzt. Damit man sich aber wirklich ein Bild der Signalmoleküle in heutigen und zukünftigen pH Bedingungen machen kann, sind Computermodelle notwendig. Basierend auf den Messwerten der Kernresonanzspektroskopie und quantenchemischer Gleichungen lässt sich die Konformation und Ladungsverteilung der Geruchsmoleküle in heutigem pH 8.1 und zukünftigem pH 7.7 errechnen und sichtbar machen.
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Computermodelle machen Veränderung sichtbar
 
Die Abbildung unten zeigt drei Geruchsmoleküle, die dem Signalstoff ähneln, den Krabbenembryos nutzen, um mit dem Muttertier zu kommunizieren. Während sie in ihren Eiern unter dem Bauch der Mutter hängen, setzen die Krabbenbabys diesen Geruch frei, sobald sie mehr Sauerstoff, Ventilation oder Hilfe beim Schlüpfen benötigen. Die Moleküle sind zum einen so abgebildet, wie sie unter heutigen pH Bedingungen aussehen würden (links), und zum anderen unter den voraussichtlichen pH Bedingungen im Jahr 2100 (rechts). Die Geruchsmoleküle in heutigen Bedingungen sind relativ kompakt  und haben klare negative (blau) und positive (rot) Ladungsteile, während sie in zukünftigen Bedingungen eher weniger kompakt und vor allem positiver geladen sind. Diese Veränderungen passieren genau in dem pH Bereich, der mit der Ozeanversauerung bis zum Ende dieses Jahrhunderts erwartet wird. Da sowohl die Konformation als auch die Ladung der Moleküle verändert wird, kann davon ausgegangen werden, dass Ozeanversauerung einen deutlichen Effekt auf die Wahrnehmung von Geruchsstoffen haben wird.
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Drei verschiedene Geruchsmoleküle und wie sie sich aufgrund der Ozeanversauerung zwischen heute und dem Jahr 2100 verändern. Roggatz, Benoit & Lorch 2016.

​Ob Meerestiere in niedrigeren pH Bedingungen die Geruchsstoffe trotzdem noch riechen können, kann man mithilfe von Verhaltensbeobachtungen testen. Dazu verfolgt man das Verhalten der Tiere, in meinem Fall Strandkrabben (Carcinus maenas), vor und nach Zugabe des Geruchsstoffes. In normalen pH Bedingungen (pH 8.1) reagieren die Weibchen nach Zugeben des Signalstoffes mit einem vermehrten Fächeln (= Ventilieren) der Eier durch ruckartiges Pumpen mit dem Schwanzende. Wie das aussieht zeigt das Video (http://bit.ly/2mw8l3c). Wenn man die gleichen Tests in niedrigerem pH durchführt, z.B. pH 7.7, wie für das Jahr 2100 prognostiziert, ist keine deutliche Reaktion der Strandkrabben auf den Signalstoff mehr festzustellen. Diese Beobachtung deutet darauf hin, dass die Signalmoleküle mit zunehmender Ozeanversauerung nicht nur verändert werden, sondern dadurch auch ihre Funktion verlieren.
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Youtube-Video zu diesem Foto: ​www.youtube.com/watch?v=jWu9-F7gfrI

​Die in meiner interdisziplinären Studie verwendete Kombination von Computersimulationen mit chemischen und biologischen Methoden hat einen neuen Mechanismus aufgedeckt, mit dem die Effekte der Ozeanversauerung auf molekularer Ebene und die Konsequenzen für die Molekülfunktion sichtbar gemacht wurden.
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Was bedeutet das jetzt genau?
 
Die untersuchten Signalmoleküle sind Beispiele für eine Klasse chemischer Stoffe, die auch dafür bekannt sind, eine Rolle bei der Ansiedlung von Seepocken- und Austernlarven, dem Finden neuer Häuschen-Schalen bei Einsiedlerkrebsen und der Brutpflege unterschiedlicher Krabben und Krebse zu spielen.
 
Wenn alle Geruchsmoleküle in gleicher Weise betroffen wären, wie die Peptide in der vorliegenden Studie, würde die chemische Kommunikation im Meer vermutlich größtenteils zusammenbrechen. Das wäre vergleichbar mit einer Welt ohne Licht und Geräusche für uns Menschen. Glücklicherweise sind aber nicht alle Signal- und Geruchsstoffe gleich, sondern arbeiten unterschiedlich. Die chemischen Eigenschaften und die Funktionsweise jedes einzelnen speziellen Signalstoffs bestimmen am Ende, ob Krabbe oder Oktopus etwas zum Mittagessen finden. Im Moment wissen wir noch viel zu wenig über Geruchsmoleküle und ihre Funktionsweisen im Ozean, um die übergreifenden Effekte abschätzen zu können. Weitreichende Konsequenzen dieses neu entdeckten Mechanismus für Ökosysteme sind jedoch zu erwarten und sollten dringend erforscht werden.

​Christina Roggatz (Profil)

​P.S.: Vielen Dank an Dr. D. M. Benoit, Prof. M. Lorch, Dr. J. D. Hardege und dem Team von VIPER an der University of Hull, die diese Forschungsarbeit ermöglicht haben und E. Roggatz für ihre Unterstützung bei diesem Artikel.
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Kreative Meerestassen: Oktopus, Seepferdchen & Delfin

7/2/2016

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Da euch die Tasse mit dem pinken Oktopus bei Facebook so gut gefallen hat, habe ich mich auf die Suche gemacht, was es in dem Bereich so alles gibt. Meine Favoriten sind der grüne Oktopus links, die beiden Seepferdchen in der Mitte und die Delfingruppe ganz rechts. Bei uns im Labor herrscht oft ein heimlicher Wettbewerb darum, wer die coolste Tasse hat, daher würde eines dieser Exemplare vermutlich Eindruck schinden. 

Leider scheint es nur die wirklich bekannten Meerestiere als Tassen zu geben. Ich hätte da noch ein paar mehr Einfälle :). 

Ich stöbere gerne im Netz nach neuen Ideen, daher werde ich fortan meine Funde regelmäßig mit euch teilen.

Welche Tasse findet ihr am Besten? Welches andere Tier würdet ihr euch wünschen?

Liebe Grüße,
Lisa

P.S.: Wenn ihr bei unseren Meeresbiologie-Updates in der ersten Reihe sitzen möchtet, dann meldet euch gerne für unsere Meeresbiologie-Emails an. 

​.
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300 Millionen Jahre und kein Ende in Sicht

13/8/2015

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So sieht ein Schleimaal im Fokus aus (Quelle: Epic Wildlife).
Laura B. hat sich einen Beitrag über Schleimaale gewünscht (siehe dazu das P.S.). Auf Wunsch recherchieren wir natürlich gerne ein bisschen und so trage ich euch hier interessante Fakten um dieses geheimnisvolle Tier zusammen.

Schleimaale leben in allen Meeresgebieten außerhalb der arktischen Ozeane (in bis zu 2.000 Meter Tiefe) und werden auch „Inger“ genannt (nicht zu verwechseln mit „Ingwer“ vom Gemüsehändler!). Bei Fischern sind sie nicht sehr beliebt, da sie in Grundnetzen gefangene Fische wegfuttern. Sie haben keine Schuppen, aber dafür aber eine richtig dicke Schleimschicht. Die Augen sind stark unterentwickelt, deswegen beschränkt sich der gemeine Schleimaal aufs riechen und tasten. (In 2.000 Metern Tiefe ist es mit dem Licht auch ein bisschen Essig, da würde ich mich auch aufs Tasten verlegen!)

Senkrecht eingegraben chillen

Schleimaale führen ein verflixt langweiliges Leben, weil sie den ganzen Tag senkrecht eingegraben im Meeresboden verbringen (statt „Faulpelz!“ könnte es also heißen „Schleimaal!“). Zum Fressen muss sich Mr. Schleimaal aber dann doch ein bisschen anstrengen: er verknotet seinen Körper zu einer Schlinge und nutzt das, um sich abzustützen (Das muss man gesehen haben! Video unten anklicken!). Bei 35 bis 60 Zentimeter Körperlänge kann man sich schon ganz gut verknoten! Große Auswahl auf dem Futter-Menü hat er aber nicht: meistens schnappt er sich das, was ihm vor die Beisserchen sinkt. Wobei er auch keine richtigen Zähne hat, sondern stattdessen Hornzähne, die er zum Raspeln der Beute verwendet.


Kein Unterschied zu Vorfahren

Wenn ihr Biologie studiert, werdet ihr früher oder später auf die Schleimaale und ihre Verwandten die Neunaugen stossen, weil sie eine wichtige Rolle in der Systematik der Tiere spielen (also quasi im Stammbaum des Lebens auf der Erde). Schleimaale sind die einzigen lebenden Tiere, die zwar einen Schädel, aber keine Wirbelsäule haben. Sie verfügen über kein Gebiss und gelten als stammesgeschichtlich sehr alte „lebende Fossilien“. Heute vorkommende Schleimaale ähneln denen vor 300 Millionen Jahren . Es hat also keine großen Veränderungen oder Anpassungen in dieser Zeit gegeben (Rein biologisch betrachtet ist das ziemlich heftig!).

Diese Saison im Trend: Aalleder

Was ich ziemlich überraschend fand, war die Sache mit dem „Aalleder“ (Was zum Kuckuck?). Aus den Häuten von Schleimaalen wird Leder hergestellt, weswegen in manchen Regionen schon die Bestände stark verringert wurden. Stattdessen interessieren sich Biotechnologie-Forscher eher für den Aalschleim, der reißfeste Fasern enthält, die man in anderen Gebieten anwenden könnte.

Wem das noch nicht genug Streberwissen ist, der kann gerne hier noch ein bisschen herumnerden: FishBase Myxinidae (Aber auf Englisch, damit sich der Spaß auch lohnt!^^).

Wie findet ihr Schleimaale?
Fragen, Anregungen und Kommentare gerne hier im Blog oder bei uns auf Facebook!

~Lisa

P.S.: Oje… nachdem ich diesen Artikel bereits fertig geschrieben habe, fiel mir auf, dass sich Laura B. „Pelikanaale“ gewünscht hatte. Das heben wir uns einfach für nächstes Mal auf, ok? Keinen Plan, warum mir das durcheinander gekommen ist.

Disclaimer: Das Eingangsbild stammt von Epic Wildlife Youtube.
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Up all night: Von kleinen Krebsen und inneren Uhren

5/7/2015

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BildAn Board der RV Calanus in Schottland ((C) Lukas Hüppe).
Sören Häfker promoviert am Alfred-Wegener-Institut über genetisch gesteuerte Uhren in kleinen planktonischen Krebsen. Dafür ist er mit zwei Studenten nach Schottland gereist, um Laborexperimente durchzuführen und im dortigen Loch Etive Proben zu sammeln. Neben aufwendigen Vorbereitungen stellen vor allem lange Nachtschichten eine große Herausforderung dar.


In meiner Doktorarbeit untersuche ich, wie tages- und jahreszeitliche Rhythmen bei dem Ruderfußkrebs Calanus finmarchicus gesteuert sind. Nahezu alle Lebewesen besitzen eine innere (endogene) Uhr, die verschiedenste körperliche Prozesse steuert und sie an den 24-stündigen Tageszyklus anpasst. Calanus finmarchicus zeigt zum Beispiel tägliche Vertikalwanderungen, wobei die Tiere den Tag im tiefen Wasser verbringen und nachts zum Fressen an die Oberfläche wandern. Endogene Uhren können zudem genutzt werden, um die Länge des Tages zu messen, was direkt Aufschluss über die Jahreszeit gibt. Während solche Uhren bei Landlebewesen ziemlich gut untersucht sind, ist in diesem Bereich – der Chronobiologie - bei Meerestieren bisher kaum etwas bekannt. Man weiß zwar, dass Calanus finmarchicus den Winter im tiefen Wasser in einer Art „Winterschlaf“ verbringt, aber was den Tieren sagt, wann sie schlafen und wann wieder aufwachen sollen, ist noch vollkommen unklar. Ich möchte nun feststellen, ob Calanus finmarchicus eine innere Uhr besitzt, wie sie genetisch funktioniert und welchen Einfluss sie auf den Tages- und Jahresrhythmus hat.

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Das Forschungsteam unter Leitung von Sören Häfker zu Besuch in den Highlands ((C) Laura Halbach).

Ideale Bedingungen am Loch Etive

Gerade sind für mich 2 Monate Feldarbeit in Schottland zu Ende gegangen. Im Loch Etive (Loch bedeutet See) an der schottischen Westküste habe ich Proben gesammelt und bei der nahegelegenen „Scottish Association for Marine Science“ (SAMS) Laborexperimente durchgeführt. Der Grund warum es mich in die Highlands verschlagen hat, ist ein lokales Vorkommen von  C. finmarchicus. Die nicht mehr als 3 mm große Krebsart aus der Gruppe der Copepoden (Ruderfußkrebse) ist im gesamten Nordatlantik zu finden und spielt eine entscheidende Rolle im Nahrungsnetz beim Transfer von Biomasse von den einzelligen Algen (Phytoplankton) zu höheren Ebenen wie Dorsch oder Hering. Die Copepoden sammeln beim Fressen der Algen reiche Fettreserven an, die sie auch für größere Fische zur lohnenden Beute machen. Die im Loch Etive lebende Population ist leicht zu erreichen und es gibt dort keine nahe verwandten Arten, die das Sortieren der Copepoden erschweren würden. Ideale Bedingungen also.
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Zählungen in der Plexiglassäule ((C) Sören Häfker).

Schon im August letzten Jahres war ich für ein paar Tage in Schottland, um die Leute und die Laborsituation am SAMS kennenzulernen und mit den dortigen Wissenschaftlern Pläne für unsere Arbeit zu machen. Neben der Miete des kleinen Forschungsschiffs „RV Calanus“ musste vor allem geklärt werden, welches Equipment vorhanden ist und was wir selber mitbringen müssen. Die ersten Monate von 2015 habe ich dann damit verbracht, Flüge und Unterkunft zu suchen, noch fehlendes Material zu ordern, alles in Kisten zu packen, deren Transport nach Schottland zu organisieren sowie einen Haufen anfallenden Papierkram abzuarbeiten. Man vergisst es oft, aber damit eine Expedition erfolgreich verlaufen kann, ist langfristige und gründliche Vorbereitung entscheidend. Merkt man erst an Bord des Schiffs, dass man etwas vergessen hat, ist es zu spät.



Kein Schlaf während der Experimente zur Chronobiologie

Anfang Mai machte ich mich dann mit den Studenten Laura Halbach und Lukas Hüppe auf den Weg nach Oban, Schottland. Die beiden haben mich während der Zeit großartig unterstützt und das war auch nötig, denn wie Ihr sehen werdet, waren die Aufgaben die vor uns lagen, keine die man alleine hätte bewältigen können. Anfang Mai sowie Ende Juni sind wir mit der RV Calanus in den Loch Etive gefahren, wo wir 28 Stunden geankert haben und alle 4 Stunden mit einem Netz Copepoden gesammelt haben. Die wurden dann zuerst an Bord mit Stereolupen (Mikroskope für nicht ganz sooo kleines Zeug) sortiert und dann in Chemikalien oder flüssigem Stickstoff für spätere Analysen konserviert. Der 4-Stunden-Rhythmus sorgte dafür, dass wir dabei keinen Schlaf bekommen haben, aber sowas gehört in der Chronobiologie einfach dazu und mit der Zeit gewöhnt man sich auch etwas an solche Arbeitszeiten. Zugegeben, es liegt eine gewisse Ironie darin, die eigene innere Uhr so durcheinander zu bringen, um sie bei anderen Lebewesen zu erforschen.

In den Wochen zwischen den Probennahmen im Loch haben wir dann Laborexperimente durchgeführt, bei denen Copepoden zuerst bei einem normalen Tag/Nach-Rhythmus und anschließend in konstanter Dunkelheit gehalten wurden. Bei diesen 3-tägigen Versuchen wurden wieder alle 4 Stunden Proben genommen, wobei wir diesmal dank der Unterstützung schottischer Studenten in 12-Stunden-Schichten arbeiten konnten, was im Vergleich zur Schiffsarbeit eine echte Erholung war.

Untersuchungen zur Vertikalwanderung: in 12-Stunden-Schichten

Zu guter Letzt haben wir direkt nach der Probennahme Ende Juni noch ein 5-tägiges Experiment zur vertikalen Wanderung der Copepoden durchgeführt. Dabei haben wir stündlich die Verteilung der Tiere in verschiedenen Tiefen einer Plexiglassäule gezählt. Auch hier wurde wieder in 12-Stunden-Schichten gearbeitet, wobei die große Herausforderung darin lag, dass das Experiment direkt nach der Probennahme im Loch Etive stattfand. Ich habe die erste Nachtschicht gemacht und obwohl ich an Bord 3-4 Stunden Schlaf bekam, hieß das unterm Strich mehr als 48 Stunden wach bleiben und dabei noch konzentriert arbeiten.

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Beringte Papageientaucher an der Küste Schottlands ((C) Sören Häfker).

Ich hoffe, dass mein Bericht nicht allzu abschreckend klingt, denn obwohl die Arbeit zweifellos sehr anstrengend war, mache ich sie gerne. Man weiß, dass man an Fragen arbeitet, auf die bisher niemand eine Antwort gefunden hat, geschweigen denn danach gesucht hat. Zudem konnten wir einen Teil der Zeit in Schottland auch dazu nutzen, um die Landschaft und die Natur der Highlands zu erkunden und zu genießen. Man muss eben auch daran denken, dass man hin und wieder durchatmen und neue Kraft sammeln muss. Die nächste 24-Studen-Schicht kommt schließlich bestimmt!

Die gesammelten Proben werden nun an das Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven geschickt, wo ich sie im Labor analysieren werde. Das wird aber Thema eines anderen Blogbeitrags sein. Wenn ihr Fragen zu meinem Arbeitsalltag oder zu Copepoden habt, fragt mich gerne.

Viele Grüß, Sören

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Calanus finmarchicus gehört zu den Ruderfußkrebsen. Hier in Szene gesetzt von Lukas Hüppe (C).
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Hinter den Kulissen: Wie Arbeit am Strand wirklich ist

19/4/2015

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seeigel meeresbiologie
Ein Cape-Seeigel in der Hand meiner Kollegin. (C) L. Mertens
Meeresbiologen haben das große Los gezogen: wenn sie am Strand abhängen, dürfen sie das sogar „Arbeit“ nennen. Aber stimmt das wirklich? Oder vermitteln uns die abenteuerlichen Fotos einen verzerrten Eindruck? Hier berichte ich über unseren Strandtag (Feldtag) in Kapstadt.

Unser Auto war vollgestopft mit Kisten und Kühlboxen, als wir uns vormittags auf den Weg nach Kapstadt machten (vergangenen Montag). Der Küstenabschnitt, den ich gemeinsam mit einer Kollegin erforsche, nennt sich „Sea Point“. Mit einem Vorlauf von mehreren Wochen haben wir den Trip geplant und die Sammelbehälter beschriftet. Vier Arten brauchen wir heute, und davon jeweils auch noch etwa 40 Exemplare. Es wird ein langer Tag!

Das Leben im Felswatt

Wie ihr auf den Fotos sehen könnt, besteht Felswatt aus Felsformationen, die täglich den Gezeiten ausgesetzt sind. In kleinen Tümpeln und Ritzen überstehen die Meerestiere auch die Phase, in denen sie sich nicht komplett im Wasser befinden. Allerdings ist das Klettern im Felswatt gefährlich. Dichte Algenmatten bewahren sich einen Rest Feuchtigkeit und man rutscht sehr leicht auf ihnen aus. Man kann sich an Muschelkanten, an Felsen oder an zerbrochenem Glas schneiden. Wir beginnen die Gegend zu durchsuchen und wenig später müssen tatsächlich zwei Schnittverletzungen versorgt werden. Von der Strandpromenade aus folgen uns neugierige Blicke von Touristen und Einheimischen, wobei wir immer etwas besorgt unsere Kisten im Auge behalten müssen, damit sich niemand daran zu schaffen macht.
meeresbiologin strand kapstadt
Schnell ein Foto in Aktion geschossen, dann zurück an die Arbeit. (C) L. Mertens
Als wir in Sea Point ankommen, beobachten wir auf dem Parkplatz zwei Polizisten, die gerade mit allen Kräften versuchen einen Mann festzunehmen. Unter Geschrei stopfen sie ihn schließlich ins Polizeiauto und rasen davon. Etwas beunruhigt laden wir unsere Kisten aus. Sea Point ist durchaus eine nicht ganz ungefährliche Gegend, wie wir später noch feststellen werden. Glücklicherweise taucht kurz darauf unser dritter Kollege im Bunde auf und wir tragen die Netze und Container mit vereinten Kräften von der Promenade ins Felswatt hinunter. Die Flut hat ihren Höchstpunkt erreicht und nun haben wir die Chance mit ablaufendem Wasser, immer ein bisschen weiter hinauszuklettern, bis sie zurückkommt.

Gesellschaft der etwas anderen Art

Vom Strand her führt eine Art alter Bootssteg durchs Felswatt ins offene Meer hinaus. Zuerst wundern wir uns nicht, dass sich dort eine Gruppe Männer mit ihren Rucksäcken niedergelassen hat. Wenn es draußen warm ist, findet man schließlich überall Menschen. Schlagartig wird mir allerdings doch mulmig, denn als unsere Suche uns immer näher an den Bootssteg heranführt, erkenne ich aus der Ferne, wie sie mit hellem Pulver in Plastiktütchen hantieren. Ich wehre mich gegen den Gedanken, aber hier haben wir tatsächlich eine Gruppe von Drogendealern aufgestöbert! Sie unterbrechen ihre Arbeit nicht, behalten uns aber argwöhnisch im Auge. Wenig später bricht unter den Männern Streit aus und sie brüllen sich gegenseitig an. Ich ducke mich mit meinen Kollegen hinter zwei Felsen und wir tun so, als wären wir sehr beschäftigt, bis die Stimmen ruhiger werden. Vielleicht würde ich jetzt doch gerne mit meinem Schreibtisch tauschen?

Die Sonne brennt auf uns herab, unsere Klamotten sind durchnässt vom Salzwasser oder fleckig von den Algenmatten. Trotz Sonne zittern wir etwas im Wind, der hier immer recht kalt ist und schnell Körperwärme stielt. Doch unsere Sammelbehälter füllen sich und ich versuche nicht mehr an die kriminelle Bande zu denken. War es unklug, das Risiko auszuhalten? Hätten wir an einem anderen Tag zurückkommen sollen? Ich weiß es nicht. Unser Kollege sorgt schließlich für den Höhepunkt des Tages: er stapft in seinem beschmutzten Outfit in einen Schnellimbiss und kehrt mit einer Riesenportion Pommes zurück. So sitzen wir - mehr oder weniger bequem - zwischen den zackigen Felsen und verschlingen die Pommes mit Heisshunger. Als es anfängt zu dämmern, werden die Schatten im Felswatt zu lang, um die Tümpel abzusuchen. Zudem kehrt die Flut zurück und wir wissen die Bande in unserer Nähe. Obwohl uns für die letzte Art (ein Fisch) noch etwa zwanzig Proben fehlen, müssen wir schließlich aufgeben und geraten auf dem Heimweg in den tückischen Feierabendverkehr in Kapstadt.

Kein Ende des Tages in Sicht

Mit großer Verspätung treffen wir an der Universität ein und können das Auto entladen. Energie haben meine Kollegin und ich an diesem Punkt nicht mehr, aber wir hieven unsere Kisten in den vierten Stock und packen die Behälter aus. Es ist bereits acht Uhr abends. Wir halten uns mit Kaffee und Musik wach, um die Proben nun von den großen Behältern in die vielen kleinen Behälter umzusetzen. Wenn ihr mitgerechnet habt, dann sind es knapp 160 insgesamt, aber wir müssen noch eine Zusatzprobe entnehmen und so sitzen wir in dieser Nacht über 300 Einzelproben ab. Vor lauter Müdigkeit müssen wir später noch einen aufgeschnittenen Finger versorgen. Um zwei Uhr morgens endlich die Erlösung: Feierabend! Schweigend fahren wir durch die menschenleeren Straßen nach Hause. Ich lege ein altes Handtuch aufs Bett und schlafe einfach darauf ein, denn zum Duschen reicht die Energie nicht mehr. Hauptsache Feierabend!

südafrika kapstadt sea point
Zugegebenermaßen ein sehr schönes Panorama! Im Vordergrund sieht man das Felswatt. (C) L. Mertens
Am nächsten Tag quält mich ein fieser Muskelkater von dem Geklettere im Felswatt. Ich hoffe, dass ich nun etwas mehr im Training bin, denn später im April werden wir zu einem längeren Trip entlang der Küste aufbrechen, um für mehrere Tage Proben zu sammeln. Gut, dass wir schon einen großen Erstehilfekoffer organisiert haben!

~Lisa



Ich hoffe, dass ihr einen Eindruck von unserer Feldarbeit erhalten konntet! =D Vermutlich versteht ihr jetzt auch, warum wir uns so stark dagegen wehren, dass wir am Strand vermeintlich „chillen“. Zum Rumsitzen war tatsächlich keine Chance ;). Und es ist ein gutes Beispiel dafür, dass unsere Arbeit nicht in der Anzahl von Stunden bezahlt wird, sondern eher nach den erbrachten Ergebnissen. Ein hoher persönlicher Einsatz und keine Beschwerden über Nachtschichten zählen da auch dazu. Überrascht euch das ein wenig? Ich würde liebend gerne hören, ob ihr euch unter Strandarbeit etwas anderes vorgestellt habt?
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Lesen, Schreiben, Rechnen - Wie der wissenschaftliche Alltag aussieht

15/3/2015

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Was machen die da eigentlich den ganzen Tag? In Filmen werden Wissenschaftler oft als komische Außenseiter dargestellt, die den ganzen Tag im weißen Kittel herumlaufen, Flüssigkeiten zum explodieren bringen, Studenten mit Prüfungen quälen - oder (in unserem Fall) Wale oder Delfine beschmusen.
BildIm Hintergrund sieht man kleine bunte Plastikbehälter für Labortätigkeiten.

Was machen wir also wirklich? Spannende Frage, besonders wenn man sich für den Alltag des Berufs interessiert. Fangen wir mal ganz von vorne an: Ein braver Wissenschaftler gehört weder auf ein Boot, noch in ein Uboot oder auf eine Buschsafari. Brave Wissenschaftler halten sich dort auf, wo ihr Schreibtisch steht! Da wir den so ausgiebig nutzen, haben wir eventuell sogar mehrere davon. Der Arbeitsalltag eines Forschers beginnt irgendwann zwischen 7 und 9 Uhr damit, dass der Computer angeschaltet wird! =)

Alles beginnt mit ausgiebigem Lesen

Sobald drängende Emails oder Anrufe abgearbeitet sind, widmet man sich den drei großen Themen unseres Berufes: Lesen, Schreiben oder Rechnen. Es kann also gut sein, dass wochen- oder monatelang nichts weiter passiert, als dass man möglichst viele Informationen über ein Thema zusammenträgt (-> Lesen). Dazu sieht man sich frühere Projekte von Kollegen an und stöbert in Daten und Aufsätzen zum gewählten Thema. Wenn ich persönlich den ganzen Tag lang konzentriert Projektberichte lese, gehe ich mit fiesen Kopfschmerzen nach Hause. Aber das macht nichts, denn idealerweise habe ich mir ein Thema ausgesucht, das mich interessiert und mir Spaß macht. Und „Spaß“ bedeutet, dass ich Kopfschmerzen oder ähnliches willig in Kauf nehme.

Zum fortgeschrittenen Zeitpunkt habe ich genug Infos gesammelt, um darauf aufbauend meine eigenen Forschungsfragen auszuarbeiten (-> Schreiben). Welche Fragen möchte ich beantworten? Wie viel Zeit brauche ich dazu? Wie viel Geld wird das kosten? Wer soll mitarbeiten? Ich schreibe einen Antrag, der all diese Punkte enthält und bete darum, dass mein Professor/Professorin oder der Geldgeber (z.B. Forschungsgemeinschaft) meinen Antrag annimmt. Spätestens in dieser Phase schläft man recht unruhig, weil die Zukunft der eigenen Arbeit an dem Antrag hängt.

Bild
Hier ein Beispiel aus einem Kurs an der Universität. Soweit ich mich korrekt erinnere, haben wir hier zur Übung Photosyntheseaktivität gemessen.

Nächster Schritt: Proben sammeln

Gehen wir davon aus, dass mein Antrag nach kleineren Änderungen zugelassen wurde. Nachdem ich bis hierhin nur theoretisch gearbeitet habe, beginnt nun der praktische Teil. Ich schaffe die Proben herbei, die ich brauche, um meine Fragen zu beantworten. Eine „Probe“ kann je nach Frage so ziemlich alles sein: einzellige Algen, ein Stück einer Fischflosse, ein Stück einer Koralle, Larven eines Seeigels, kleine Ruderfusskrebse, die Anzahl von Eiern in Nestern von Seeschwalben… Wie und was man da genau sammelt, muss man sich vorher eventuell wegen dem Naturschutzgesetz genehmigen lassen.

Sobald ich meine verschiedenen „Proben“ habe, wende ich (Mess- oder Analyse-) Methoden an, um meine Forschungsfrage zu beantworten. Damit meine späteren Ergebnisse anerkannt werden, muss ich auch eine anerkannte Messmethode verwenden und diese sauber ausführen. Wenn ich ein absoluter Profi bin, kann ich auch selbst entwickelte Methoden anweden, ABER bevor ich das darf, muss ich der weltweiten Gemeinschaft von Wissenschaftlern genau erklären, was ich da mache und warum meine Methode nachweislich sogar genauer oder besser ist. Das ist nämlich der Trick an der Geschichte: Experimente oder Messmethoden müssen weltweit nachvollziehbar und wiederholbar sein.
Ergebnisse gewinnen an Beweiskraft, wenn mehrere unabhängig arbeitende Teams feststellen, dass sie die gleichen Ergebnisse erhalten. In der Praxis lösen wir das so, dass wir möglichst einheitliche Methoden in unserem Fachgebiet verwenden, damit man die Ergebnisse vergleichen kann. Wenn das hier einer von meinen wissenschaftlichen Kollegen liest, könnte er sich darüber beschweren, dass ich diesen Vorgang vereinfacht dargestellt habe. Das ist richtig - denn mit den genauen Abläufen und der Vergleichbarkeit von Ergebnissen könnte man locker ein paar Bücher füllen.

Forschung hält eine Vielzahl von Methoden bereit

Ganz kurz noch einen Einblick in ein paar Methoden: Das reicht vom einfachen zählen, wiegen, Größe messen oder Gestalt aufzeichnen zu heute angesagteren Methoden wie z.B. die DNA aus Zellen herausholen, Aktivität der Photosynthese messen, Wärme/Kälte-Behandlungen, Fortkommen in einer Meeresströmung berechnen, Wanderwege von größeren Tieren aufzeichnen, Mageninhalte, Blutanalysen, Räuber-/Beute-Beziehungen, Krankheiten und Parasiten, Analysen zum Proteingehalt, chemische Inhaltsstoffe einer Substanz ermitteln… die Möglichkeiten sind unendlich und hängen sehr stark vom Forschungsgebiet und vom aktuellen Projekt ab.  Hier kann ich es vielleicht nochmal anbringen: kuscheln mit Delfinen oder ausgedehnte Erkundungstouren mit einem Uboot zählen nicht zu unseren Methoden.

Zurück an den PC: Jetzt wird gerechnet

Je nach Methode und Anzahl der ursprünglichen Proben stehe ich spätestens jetzt mit einem Riesenhaufen an Daten da. Nun geht es schnurstaks zurück an den Schreibtisch! Nun ist es ähnlich wie zuvor mit den Analysemethoden: ich schnappe mir einige anerkannte Statistikprogramme (Achtung: stark vereinfacht!) und mache mich daran, in tage- und monatelanger Kleinstarbeit, die Daten zu überprüfen und nach Unterschieden oder Mustern zu suchen (-> Rechnen). An dieser Stelle reden wir wieder über die Kopfschmerzen, die ich eingangs beschrieben habe. Aber wenn es mit der Statistik rund läuft, macht es eben auch „Spaß“.

Königsdisziplin: Projektberichte veröffentlichen

Sobald ich genug Daten beisammen habe, um eine (oder besser mehrere) Forschungsfragen zu beantworten, schreibe ich einen englischen Aufsatz über meine Arbeit, der weltweit von Wissenschaftlern gelesen werden kann. In unserer Sprache heißt das Paper („Papier“) und der Ort der Veröffentlichung heißt Journal („Zeitschrift“). In einer (möglichst angesehenen und viel gelesenen) wissenschaftlichen Zeitschrift präsentiere und diskutiere ich meine Fragen, meine Analysemethode und die Ergebnisse.
Bis so ein Paper geschrieben und veröffentlicht ist, vergehen erneut mehrere Monate. Bevor mein Aufsatz in einer Zeitschrift gezeigt wird (gedruckt oder online), müssen zwei unabhängige, anonyme Kollegen beurteilen, ob ich meine Sache korrekt gemacht habe. Erst wenn diese Hürde überwunden ist, kann ich eine „Veröffentlichung“ feiern. Die Anzahl der „Veröffentlichungen“ ist die wichtigste Zahl im Leben eines Forschers, weil daran der Erfolg im Beruf gemessen wird. Zudem ist es auch wichtig, wie viele Kollegen bei ihrer Suche nach Hintergrundinfos auf die eigene Arbeit Bezug nehmen. Ein sehr erfolgreicher Forscher hat also viele Aufsätze veröffentlicht und viele Kollegen beziehen sich bei ihren Projekten auf seine Arbeit.

Fachtreffen und Unterrichten

Damit uns an unserem Schreibtisch nicht zu langweilig wird, treffen wir uns ab und zu mit unseren weltweiten Kollegen. Auf Fachkonferenzen werden dann die neuesten Ergebnisse und Methoden besprochen und man stärkt alte Kontakte und knüpft ein paar neue, um vielleicht in der Zukunft zusammenzuarbeiten (für ein Paper). Eine andere Gelegenheit, um den Arbeitsplatz zu verlassen, ist das Unterrichten. Der wissenschaftliche Nachwuchs an den Universitäten soll möglichst praktisch und am Besten von Vorbildern lernen. Daher unterrichten Forscher/Forscherinnen auch Kurse über ihr Fachgebiet und fragen das vermittelte Wissen in Prüfungen ab.  Als junger Forscher darf man beim Unterrichten bereits helfen, indem man in praktischen Kursen als Assistent arbeitet oder kleinere Gruppen selbstständig beim Einüben des Wissens betreut.

"Wissenschaft" muss man üben

Wenn ihr bis hierhin gelesen habt, sollte bei euch ein guter Überblick über den wissenschaftlichen Alltag entstanden sein. Es gehört viel Disziplin, Motivation und Toleranz gegenüber Frustration zu unserer täglichen Arbeit. Auch wenn man als Meeresforscher hin und wieder den Strand oder das Meer zu sehen bekommt: unsere Tätigkeit ist ohne Schreibtisch und Computer undenkbar. Um das wissenschaftliche Arbeiten einmal auszuprobieren, empfehle ich sehr gerne die Teilnahme an einem Schülerwettbewerb wie „Jugend forscht“. Dort lernt man im Kleinen genau kennen, wie ein wissenschaftliches Projekt verläuft und ob man „Spaß“ an der wissenschaftlichen Arbeitsweise hat. Auch vor dem Schreiben auf Englisch sollte man keine Angst haben. Bis es soweit ist, hat man ausreichend Gelegenheit zum üben.

Liebe Grüße,
Lisa

P.S.: Wie immer - schreibt unserem Team bei Fragen und Kommentaren entweder hier, auf Facebook oder per Mail ;). Habt ihr euch so den Alltag vorgestellt? Ich bin gespannt darauf von euch zu hören!
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Start in Afrika: Angekommen im Paradies

15/2/2015

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Morgens um 7 Uhr in Südafrika: die Sonne scheint, eine sanfte Briese streicht durch die Bäume vor dem Haus und ich springe in Shorts und Flip Flops, um einen spannenden Tag zu beginnen. Ganz so märchenhaft ist es natürlich nicht, denn das Paradies funktioniert nur unter ein paar Bedingungen.

BildMein neuer Schreibtisch in der Abteilung für Botanik und Zoologie an der Universität Stellenbosch. Wie man sieht, bin ich schon gut mit Arbeitsmaterialien eingedeckt.
Sicherheit wird großgeschrieben

Bis ich von meinem Zimmer im Studentenwohnheim bis in mein Büro in der Universität gelangt bin, habe ich viermal meine Identitätskarte über einen Scanner gezogen und rückwärts werde ich zusätzlich einen sechsstelligen Zahlencode und zwei manuelle Schlösser passieren müssen. Rund um mein Studentenwohnheim stehen zwei meterhohe Zäune, die mit Stacheldrath versehen sind und zudem gibt es eine Wachmannschaft, die 24 Stunden am Tag über das Gelände patroulliert. Wer mich besuchen möchte, muss am Eingang ein Formular ausfüllen und einen Personalausweis oder einen Reisepass hinterlegen. So stelle ich mir eine mittelalterliche Festung vor!

Und wehe man möchte eine Tür passieren für die man nicht vorher freigeschaltet wurde! Wenn ich also einen Kollegen bei uns in der Universität besuchen möchte, muss ich ihn vorher anrufen und darum bitten, dass er mich an dem Punkt abholt, bis zu dem ich mit meiner eigenen Karte komme. Trotz der guten Absicherung sollte man sich am Besten nur bei Tageslicht in der Universität aufhalten. Denn hin und wieder schleicht sich jemand in krimineller Absicht in ein Gebäude. Im Vergleich zu Deutschland hört sich das vielleicht gruselig an, aber ich habe mich ganz gut daran gewöhnt und wenn ich bis spät in die Nacht auf der Arbeit bleibe, dann rufe ich den Sicherheitsdienst an, der mich persönlich abholt und mich auf eine „sichere Straße“ (Green Route) bringt.


Bild
Ein sehr modernes Wohnheim in der Nähe des Universitätsgeländes. Vorübergehend wohne ich hier gemeinsam mit drei internationalen Mitbewohnerinnen. Die Sicherheitszäune kann man auf diesem Foto nicht sehen.
Kummer mit dem Stromnetz

Heute morgen wollte ich dringend eine Wäsche einrichten (es ist nicht so viel Platz in einem 20 kg Koffer), doch meine chinesische Mitbewohnerin warnte mich rechtzeitig, dass in wenigen Minuten wieder der Strom abgestellt wird. Daraufhin bin ich schnell noch in die Küche geflitzt, um wenigstens einen Kaffee zu kochen. Die Stromsperren wurden vor einigen Monaten eingeführt, da anscheinend notwendige Reparaturen in den Kraftwerken nicht ausgeführt wurden. Somit kann die Firma Eskom, die für 95% der Stromversorgung zuständig ist, Südafrika nicht mehr mit Strom versorgen. Sollte das nationale Netz zusammenbrechen, wären wir alle tagelang ohne Strom. Um das zu vermeiden, hat Eskom einen Sperrplan eingeführt, bei dem abwechselnd die Regionen ganz abgeschaltet werden, damit der Rest versorgt werden kann.
Das bedeutet für die Menschen, dass der Strom jeden Tag zwischen 2 bis 6 Stunden gesperrt wird (im höchsten Notfall sogar für 8 Stunden). Das sorgt für viel Ärger, da nicht jedes Unternehmen (z.B. Restaurant) sich einen eigenen Generator leisten kann und auch Ampeln oder Straßenbeleuchtung nicht funktionieren. Auch im Wohnheim ist der Strom aus: keine Waschmaschine, kein Kochen, kein TV, kein Handy aufladen, kein Licht in den Zimmern. Man hört eine laute Jubelwelle auf dem ganzen Gelände, sobald der Strom wieder angeschaltet wird! Elektronische Geräte (z.B. Kühlschränke oder unsere Labormaschinen) leiden unter dem Strom-Auf-und-Ab, daher hoffe ich, dass sich Eskom mal bald etwas schlaues einfallen lässt.

Bild
So sieht das Universitätsgelände aus. Im Hintergrund einige Gebäude, im Vordergrund sieht man die Treppen, die zur unterirdischen Bibliothek führen. Die Bibliothek ist das Zentrum der Universität.
Schnell eingelebt auf dem Campus

Glücklicherweise hat die Verwaltung der Universität meine Rückkehr gut aufgenommen: meine Daten schliefen brav in der Datenbank und konnten schnell aktiviert werden. Der größte Aufwand besteht darin, sich eine neue Identitätskarte erstellen zu lassen. Wie ich es beschrieben habe, kommt man ohne die Karte nirgends hinein. Alte und neue Kollegen freuten sich darüber mich wiederzusehen und innerhalb kürzester Zeit saß ich an meinem neuen Schreibtisch und konnte mit der Arbeit loslegen. Bei meinem ersten Semester (2012) hat es definitiv länger gedauert, bis ich mich zurecht gefunden hatte. Allerdings stehe ich noch immer im Supermarkt, halte unbekannte Lebensmittel hoch und frage mich: Was war das noch mal? Essensgewohnheiten müssen sich eben auch erst umstellen.

Mein Arbeitsprojekt an der Universität

Aber zurück zur Arbeit: Viele von euch interessieren sich brennend dafür, woran ich in den kommenden Jahren arbeiten werde. Das Thema meines Arbeitsprojekts lautet „Assessing the evolutionary and physiological resilience of Southern African marine species“, was übersetzt bedeutet: ich untersuche wissenschaftlich die Fähigkeit von Meeresorganismen in Südafrika, mit Veränderungen ihrer Lebensumwelt umzugehen. Ich werde mir ansehen, wie sie in der Vergangenheit zurecht kamen und wie es ihnen bei durch den Klimawandel ansteigenden Temperaturen in der Zukunft gehen könnte. Dazu sehe ich mir die DNA der Meeresorganismen an, denke über ihre Entwicklung innerhalb der letzen 200.000 Jahre nach und werde überprüfen, wie sie auf Experimente mit steigender Temperatur reagieren. Die drei Hauptbestandteile sind also: Genetik (Evolution), Modellierung am PC (Klimaveränderungen) und Stoffwechselreaktion (Wärmetoleranz). Mit einigen Bereichen des Projektes kenne ich mich schon ganz gut aus, andere werde ich mir komplett neu erarbeiten müssen. Einblick in einzelne Schritte zeige ich euch dann natürlich hier ;).

So… da ich jetzt noch die Stromsperre abwarten muss, bis ich Wäsche waschen kann, werde ich mir ein Bibliotheksbuch schnappen und mich draußen ein wenig unter die Bäume setzen. Der Himmel ist viel zu blau, um sich drinnen zu verstecken. Wenn ihr Fragen habt, könnt ihr die gerne unten in die Kommentare schreiben oder bei Facebook unter dem Beitrag stellen.

Liebe Grüße und bis bald!
Lisa :D

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Ein neues Abenteuer: Auf nach Südafrika

13/1/2015

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Es ist Zeit, ein gut gehütetes Geheimnis zu lüften: Ich gehe zurück nach Südafrika! Diesmal allerdings nicht für acht Monate wie beim ersten Mal, sondern für drei Jahre. Was ich gerade erlebe, erzähle ich euch in diesem Blog-Beitrag.
Auslandsstudium Südafrika Tafelberg KapstadtLisa auf dem Tafelberg (2012).
Es ist Mitte Januar. Seit Tagen warte ich auf ein ganz bestimmtes Ereignis. Als es laut an der Tür klingelt, springe ich von meinem Schreibtisch auf, schlage mir in der Eile fast den Kopf an der Wohnungstür und renne in Socken drei Stockwerke nach unten.
"Ist es ein gelber Umschlag?"
Der arme Postbote schaut mich verdutzt an. Tatsächlich hält er das lang ersehnte Kuvert aus Berlin in der Hand. "Ein gelber Umschlag!", rufe ich begeistert und er übergibt mir die Sendung mit fragendem Blick.
"Ich gehe nach Südafrika.", sage ich und deute mit der Hand nach oben, "Die Wohnung ist schon gekündigt." Er wünscht mir alles Gute und für einen kurzen Moment sieht er aus, als ob er gerne mitkommen würde.
​
Zweimal Visum abgelehnt

Ganz so einfach ist es aber dann doch nicht. Oben angekommen, reiße ich den Umschlag auf und krame durch die Papierbögen. Ganz unten liegt mein Reisepass - und endlich - nach dem dritten Mal durchblättern entdecke ich den Aufkleber für die Aufenthaltserlaubnis. Erschöpft atme ich auf. Seit Wochen hat sich die Botschaft geweigert mich gehen zu lassen... zweimal wurde der Antrag abgelehnt (vielleicht ein anderes Mal mehr dazu). Beim dritten Mal hat es endlich geklappt.

Alles muss raus

Nun geht es daran, meine Wohnung in Kiel aufzulösen, einen günstigen Flug zu finden, sämtliche Behörden und Versicherungen zu informieren und ungefähr tausend Kleinigkeiten mehr. Darin habe ich zwar schon viel Erfahrung, aber ich vergesse immer wieder, wie nervig die Organisation vor einem Umzug ins Ausland ist. Oder kann man in diesem Fall schon vom Auswandern sprechen? Drei Jahre... so lange habe ich nicht mehr an einem Ort verbracht, seitdem ich die Schule verlassen habe. Mitnehmen kann ich fast nichts. Die Preise für Übergepäck wurden drastisch erhöht, Pakete nach Südafrika sind sehr unsicher zu empfangen. 20 Kilogramm dürfen in meinen Koffer. Manche nehmen 20 kg alleine für einen Wochenendausflug mit. Den Rest muss ich verkaufen oder verschenken, da sich eine Aufbewahrung nicht bezahlt macht.

Ein naher Abschied

Aufgeregt bin ich noch nicht. Das kommt bei mir immer erst am Flughafen. Und ich mache mir Gedanken, ob ich es noch pünktlich bis zur Abreise schaffe alles zu organisieren. Es muss einfach klappen. Bald laufe ich wieder über den sonnigen Campus (so nennt man das Gelände einer Universität), der mir schon so vertraut ist. Auch die Gruppe von Wissenschaftlern, mit denen ich arbeiten werde, kenne ich von meiner Masterarbeit. Es ist also ein bisschen wie "nach Hause kommen". Gleichzeitig werden mich 10.000 Kilometer Luftlinie von Freunden und Familie trennen. Es ist wie in einem Abenteuerfilm, bei dem man den Ausgang nicht kennt. Nur, dass es spannend wird, das weiß man schon am Anfang.

Ich würde euch gerne noch erzählen, woran ich forschen werde, aber dann wird dieser Beitrag endgültig zu lang. Ich werde euch so gut es geht auf dem Laufenden halten und Fotos posten, soweit die Verbindung es zulässt. Ich finde die Idee schön, dass ich euch zu diesem Abenteuer mitnehmen kann. Also, kommt mit mir nach Südafrika!

Viele Grüße, Lisa

P.S: Vermutlich wird der Flug in der letzten Januarwoche liegen. Ich arbeite noch daran^^.

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