Doch vor dieser harten Kindheit müssen zunächst eine Reihe anderer Faktoren stimmen, damit eine Meeresschildkröte ihren Weg in die Weiten der Meere auf sich nehmen kann. Alles beginnt damit, dass ein Schildkrötenweibchen mehrere Tausend Kilometer hinter sich bringt, um einen geeigneten Platz für ihr Nest zu finden. Man hat zum Beispiel herausgefunden, dass die Lederrückenschildkröte Strecken von bis zu 4800 km oder mehr zurücklegt. Wurde endlich ein passender Strand gefunden, geht das Schildkrötenweibchen im Schutz der Dunkelheit mehrere Meter an den Strand und gräbt ein Loch, in das sie (je nach Art) ihre 50-350 Eier legt. Diese werden danach vergraben und die Mutter kehrt zurück ins Meer. Die Eier und darin heranwachsenden Schildkröten sind nun auf sich allein gestellt.
Die Temperatur des Sands entscheidet übrigens das Geschlecht: Je kühler der Sand, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass der Nachwuchs männlich wird. Nach 50-60 Tagen beginnt das Schlüpfen und die mühsame Buddelei an die Oberfläche. Auch hier orientieren sich die Jungen an die Temperatur: Wenn es kühl ist, wissen sie, dass es nachts und damit sicherer vor Fressfeinden ist (die einzige Schildkrötenart, die tagsüber schlüpft, ist die Atlantik-Bastardschildkröte). Dann, endlich, sind sie am Strand. Aber woher wissen sie, in welcher Richtung das Meer liegt? Das Geräusch der Wellen, magnetische Felder und das reflektierte Mondlicht in der Brandung – Forscher wissen nicht ganz genau, was davon vorwiegend den Weg der Jungen bestimmt, vielleicht eine Mischung aus allem.
Der Nachwuchs, der es trotz diverser Fressfeinde (Hunde, Vögel, Reptilien usw.) ins offene Meer geschafft hat, schwimmt tagelang und ohne Futter hinaus. Den einzigen „Proviant“, den sie für diese lange Reise bei sich haben, ist der Eidotter, den sie beim Schlüpfen aufgenommen haben. Im offenen Meer verbringen die Jungen 3-5 Jahre, bis sie sich im flacheren Gewässern aufhalten. Über das Leben der heranwachsenden Tiere ist bisher wenig bekannt.
Meeresschildkröten in Malaysia
Wer in Südostasien unterwegs ist, der hat in Malaysia große Chancen, Meeresschildkröten anzutreffen. Vier der sechs Arten haben an der Küste und auf den Inseln ihre Brut- und Futterplätze: Die Lederrückenschildkröte und Oliv-Bastardschildkröte findet man nur an der Ostküste und ihr Bestand ist stark zurückgegangen, während die Suppenschildkröte (der Name kommt leider nicht von ungefähr...) und Echte Karettschildkröte auch an der Westküste und auf Borneo zu finden sind.
Doch auch wie überall auf der Welt hat die Meeresschildkröte in Malaysia nicht nur mit Fressfeinden zu kämpfen: Die Umwelt- und insbesondere Meeresverschmutzung sind für sie eine Gefahr. Auch geraten viele Schildkröten als Beifang in Fischernetze. Informationszentren und Aufklärungsprogramme von diversen Naturschutzorganisation sollen auf die Probleme hinweisen, haben sich aber auch zum Ziel erklärt, die Wanderung der jungen Meeresschildkröten von ihrem Nest bis ans Meer aktiv zu unterstützen. Fischer werden aufgeklärt, wie sie ihre Netze auszulegen haben, um nur das zu fangen, was sie tatsächlich auch fangen wollen.
Ich bin in einem kleinen Informations- und Schutzzentrum für Meeresschildkröten an der Ostküste Malaysias gewesen, dem Cherating Turtle Sanctuary. Das Center wurde 1998 eröffnet und kümmert sich um die Eier und die geschlüpften Jungen am Strand. Einige werden auch eingefangen und so lange behütet, bis sie größer sind und ins offene Meer entlassen werden können. Es dient auch als Auffangstation für verletzte ältere Tiere. Wer von euch mehr Informationen zu Meeresschildkröten in Malaysia haben will, kann mir gerne schreiben.
Diane Hegmann (Profil)