Bis ich von meinem Zimmer im Studentenwohnheim bis in mein Büro in der Universität gelangt bin, habe ich viermal meine Identitätskarte über einen Scanner gezogen und rückwärts werde ich zusätzlich einen sechsstelligen Zahlencode und zwei manuelle Schlösser passieren müssen. Rund um mein Studentenwohnheim stehen zwei meterhohe Zäune, die mit Stacheldrath versehen sind und zudem gibt es eine Wachmannschaft, die 24 Stunden am Tag über das Gelände patroulliert. Wer mich besuchen möchte, muss am Eingang ein Formular ausfüllen und einen Personalausweis oder einen Reisepass hinterlegen. So stelle ich mir eine mittelalterliche Festung vor!
Und wehe man möchte eine Tür passieren für die man nicht vorher freigeschaltet wurde! Wenn ich also einen Kollegen bei uns in der Universität besuchen möchte, muss ich ihn vorher anrufen und darum bitten, dass er mich an dem Punkt abholt, bis zu dem ich mit meiner eigenen Karte komme. Trotz der guten Absicherung sollte man sich am Besten nur bei Tageslicht in der Universität aufhalten. Denn hin und wieder schleicht sich jemand in krimineller Absicht in ein Gebäude. Im Vergleich zu Deutschland hört sich das vielleicht gruselig an, aber ich habe mich ganz gut daran gewöhnt und wenn ich bis spät in die Nacht auf der Arbeit bleibe, dann rufe ich den Sicherheitsdienst an, der mich persönlich abholt und mich auf eine „sichere Straße“ (Green Route) bringt.
Heute morgen wollte ich dringend eine Wäsche einrichten (es ist nicht so viel Platz in einem 20 kg Koffer), doch meine chinesische Mitbewohnerin warnte mich rechtzeitig, dass in wenigen Minuten wieder der Strom abgestellt wird. Daraufhin bin ich schnell noch in die Küche geflitzt, um wenigstens einen Kaffee zu kochen. Die Stromsperren wurden vor einigen Monaten eingeführt, da anscheinend notwendige Reparaturen in den Kraftwerken nicht ausgeführt wurden. Somit kann die Firma Eskom, die für 95% der Stromversorgung zuständig ist, Südafrika nicht mehr mit Strom versorgen. Sollte das nationale Netz zusammenbrechen, wären wir alle tagelang ohne Strom. Um das zu vermeiden, hat Eskom einen Sperrplan eingeführt, bei dem abwechselnd die Regionen ganz abgeschaltet werden, damit der Rest versorgt werden kann.
Das bedeutet für die Menschen, dass der Strom jeden Tag zwischen 2 bis 6 Stunden gesperrt wird (im höchsten Notfall sogar für 8 Stunden). Das sorgt für viel Ärger, da nicht jedes Unternehmen (z.B. Restaurant) sich einen eigenen Generator leisten kann und auch Ampeln oder Straßenbeleuchtung nicht funktionieren. Auch im Wohnheim ist der Strom aus: keine Waschmaschine, kein Kochen, kein TV, kein Handy aufladen, kein Licht in den Zimmern. Man hört eine laute Jubelwelle auf dem ganzen Gelände, sobald der Strom wieder angeschaltet wird! Elektronische Geräte (z.B. Kühlschränke oder unsere Labormaschinen) leiden unter dem Strom-Auf-und-Ab, daher hoffe ich, dass sich Eskom mal bald etwas schlaues einfallen lässt.
Glücklicherweise hat die Verwaltung der Universität meine Rückkehr gut aufgenommen: meine Daten schliefen brav in der Datenbank und konnten schnell aktiviert werden. Der größte Aufwand besteht darin, sich eine neue Identitätskarte erstellen zu lassen. Wie ich es beschrieben habe, kommt man ohne die Karte nirgends hinein. Alte und neue Kollegen freuten sich darüber mich wiederzusehen und innerhalb kürzester Zeit saß ich an meinem neuen Schreibtisch und konnte mit der Arbeit loslegen. Bei meinem ersten Semester (2012) hat es definitiv länger gedauert, bis ich mich zurecht gefunden hatte. Allerdings stehe ich noch immer im Supermarkt, halte unbekannte Lebensmittel hoch und frage mich: Was war das noch mal? Essensgewohnheiten müssen sich eben auch erst umstellen.
Mein Arbeitsprojekt an der Universität
Aber zurück zur Arbeit: Viele von euch interessieren sich brennend dafür, woran ich in den kommenden Jahren arbeiten werde. Das Thema meines Arbeitsprojekts lautet „Assessing the evolutionary and physiological resilience of Southern African marine species“, was übersetzt bedeutet: ich untersuche wissenschaftlich die Fähigkeit von Meeresorganismen in Südafrika, mit Veränderungen ihrer Lebensumwelt umzugehen. Ich werde mir ansehen, wie sie in der Vergangenheit zurecht kamen und wie es ihnen bei durch den Klimawandel ansteigenden Temperaturen in der Zukunft gehen könnte. Dazu sehe ich mir die DNA der Meeresorganismen an, denke über ihre Entwicklung innerhalb der letzen 200.000 Jahre nach und werde überprüfen, wie sie auf Experimente mit steigender Temperatur reagieren. Die drei Hauptbestandteile sind also: Genetik (Evolution), Modellierung am PC (Klimaveränderungen) und Stoffwechselreaktion (Wärmetoleranz). Mit einigen Bereichen des Projektes kenne ich mich schon ganz gut aus, andere werde ich mir komplett neu erarbeiten müssen. Einblick in einzelne Schritte zeige ich euch dann natürlich hier ;).
So… da ich jetzt noch die Stromsperre abwarten muss, bis ich Wäsche waschen kann, werde ich mir ein Bibliotheksbuch schnappen und mich draußen ein wenig unter die Bäume setzen. Der Himmel ist viel zu blau, um sich drinnen zu verstecken. Wenn ihr Fragen habt, könnt ihr die gerne unten in die Kommentare schreiben oder bei Facebook unter dem Beitrag stellen.
Liebe Grüße und bis bald!
Lisa :D