Meeresbiologen haben das große Los gezogen: wenn sie am Strand abhängen, dürfen sie das sogar „Arbeit“ nennen. Aber stimmt das wirklich? Oder vermitteln uns die abenteuerlichen Fotos einen verzerrten Eindruck? Hier berichte ich über unseren Strandtag (Feldtag) in Kapstadt. Unser Auto war vollgestopft mit Kisten und Kühlboxen, als wir uns vormittags auf den Weg nach Kapstadt machten (vergangenen Montag). Der Küstenabschnitt, den ich gemeinsam mit einer Kollegin erforsche, nennt sich „Sea Point“. Mit einem Vorlauf von mehreren Wochen haben wir den Trip geplant und die Sammelbehälter beschriftet. Vier Arten brauchen wir heute, und davon jeweils auch noch etwa 40 Exemplare. Es wird ein langer Tag! |
Das Leben im Felswatt Wie ihr auf den Fotos sehen könnt, besteht Felswatt aus Felsformationen, die täglich den Gezeiten ausgesetzt sind. In kleinen Tümpeln und Ritzen überstehen die Meerestiere auch die Phase, in denen sie sich nicht komplett im Wasser befinden. Allerdings ist das Klettern im Felswatt gefährlich. Dichte Algenmatten bewahren sich einen Rest Feuchtigkeit und man rutscht sehr leicht auf ihnen aus. Man kann sich an Muschelkanten, an Felsen oder an zerbrochenem Glas schneiden. Wir beginnen die Gegend zu durchsuchen und wenig später müssen tatsächlich zwei Schnittverletzungen versorgt werden. Von der Strandpromenade aus folgen uns neugierige Blicke von Touristen und Einheimischen, wobei wir immer etwas besorgt unsere Kisten im Auge behalten müssen, damit sich niemand daran zu schaffen macht. |
Vom Strand her führt eine Art alter Bootssteg durchs Felswatt ins offene Meer hinaus. Zuerst wundern wir uns nicht, dass sich dort eine Gruppe Männer mit ihren Rucksäcken niedergelassen hat. Wenn es draußen warm ist, findet man schließlich überall Menschen. Schlagartig wird mir allerdings doch mulmig, denn als unsere Suche uns immer näher an den Bootssteg heranführt, erkenne ich aus der Ferne, wie sie mit hellem Pulver in Plastiktütchen hantieren. Ich wehre mich gegen den Gedanken, aber hier haben wir tatsächlich eine Gruppe von Drogendealern aufgestöbert! Sie unterbrechen ihre Arbeit nicht, behalten uns aber argwöhnisch im Auge. Wenig später bricht unter den Männern Streit aus und sie brüllen sich gegenseitig an. Ich ducke mich mit meinen Kollegen hinter zwei Felsen und wir tun so, als wären wir sehr beschäftigt, bis die Stimmen ruhiger werden. Vielleicht würde ich jetzt doch gerne mit meinem Schreibtisch tauschen?
Die Sonne brennt auf uns herab, unsere Klamotten sind durchnässt vom Salzwasser oder fleckig von den Algenmatten. Trotz Sonne zittern wir etwas im Wind, der hier immer recht kalt ist und schnell Körperwärme stielt. Doch unsere Sammelbehälter füllen sich und ich versuche nicht mehr an die kriminelle Bande zu denken. War es unklug, das Risiko auszuhalten? Hätten wir an einem anderen Tag zurückkommen sollen? Ich weiß es nicht. Unser Kollege sorgt schließlich für den Höhepunkt des Tages: er stapft in seinem beschmutzten Outfit in einen Schnellimbiss und kehrt mit einer Riesenportion Pommes zurück. So sitzen wir - mehr oder weniger bequem - zwischen den zackigen Felsen und verschlingen die Pommes mit Heisshunger. Als es anfängt zu dämmern, werden die Schatten im Felswatt zu lang, um die Tümpel abzusuchen. Zudem kehrt die Flut zurück und wir wissen die Bande in unserer Nähe. Obwohl uns für die letzte Art (ein Fisch) noch etwa zwanzig Proben fehlen, müssen wir schließlich aufgeben und geraten auf dem Heimweg in den tückischen Feierabendverkehr in Kapstadt.
Kein Ende des Tages in Sicht
Mit großer Verspätung treffen wir an der Universität ein und können das Auto entladen. Energie haben meine Kollegin und ich an diesem Punkt nicht mehr, aber wir hieven unsere Kisten in den vierten Stock und packen die Behälter aus. Es ist bereits acht Uhr abends. Wir halten uns mit Kaffee und Musik wach, um die Proben nun von den großen Behältern in die vielen kleinen Behälter umzusetzen. Wenn ihr mitgerechnet habt, dann sind es knapp 160 insgesamt, aber wir müssen noch eine Zusatzprobe entnehmen und so sitzen wir in dieser Nacht über 300 Einzelproben ab. Vor lauter Müdigkeit müssen wir später noch einen aufgeschnittenen Finger versorgen. Um zwei Uhr morgens endlich die Erlösung: Feierabend! Schweigend fahren wir durch die menschenleeren Straßen nach Hause. Ich lege ein altes Handtuch aufs Bett und schlafe einfach darauf ein, denn zum Duschen reicht die Energie nicht mehr. Hauptsache Feierabend!
Am nächsten Tag quält mich ein fieser Muskelkater von dem Geklettere im Felswatt. Ich hoffe, dass ich nun etwas mehr im Training bin, denn später im April werden wir zu einem längeren Trip entlang der Küste aufbrechen, um für mehrere Tage Proben zu sammeln. Gut, dass wir schon einen großen Erstehilfekoffer organisiert haben! ~Lisa |
Ich hoffe, dass ihr einen Eindruck von unserer Feldarbeit erhalten konntet! =D Vermutlich versteht ihr jetzt auch, warum wir uns so stark dagegen wehren, dass wir am Strand vermeintlich „chillen“. Zum Rumsitzen war tatsächlich keine Chance ;). Und es ist ein gutes Beispiel dafür, dass unsere Arbeit nicht in der Anzahl von Stunden bezahlt wird, sondern eher nach den erbrachten Ergebnissen. Ein hoher persönlicher Einsatz und keine Beschwerden über Nachtschichten zählen da auch dazu. Überrascht euch das ein wenig? Ich würde liebend gerne hören, ob ihr euch unter Strandarbeit etwas anderes vorgestellt habt?